Für die Festlegung einer allgemeinen geometrischen Spezifikation stehen grundsätzlich unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung:
- Allgemeine geometrische Spezifikation mittels Flächenprofil als geometrisches Merkmal ohne Bezüge.
- Allgemeine geometrische Spezifikation mittels Flächenprofil als geometrisches Merkmal mit einem Bezugssystem, welches (idealerweise) alle nicht-redundanten Freiheitsgrade der Referenzgeometrieelemente bzw. deren Situationselement(e) blockiert (siehe obiges Beispiel). Diese Möglichkeit wird auch in ISO 22081 beschrieben.
Für den Fall der Spezifikation eines Bezugssystems, welches alle nicht-redundanten Freiheitsgrade blockiert, muss unterschieden werden, ob ein funktionsorientiertes (ggf. bereits existierendes) Bezugssystem oder Bezugsstellen (ISO 5459:2011) Anwendung finden sollen.
Werden keine Bezüge festgelegt oder blockiert das gewählte Bezugssystem nicht alle blockierbaren Freiheitsgrade, dann ist eine Zielfunktion für die Assoziation des (theoretisch exakten) tolerierten Geometrieelements (z. B. CAD-Datensatz) an die extrahierten integralen Flächen erforderlich. Standardmäßig ist nach ISO 1101:2017 die L∝-Funktion (Minimax) anzuwenden. Da diese standardmäßige Festlegung u. a. im Sinne der Reproduzierbarkeit der Messergebnisse nicht immer optimal ist, können auf Vereinbarung auch andere Zielfunktionen vereinbart werden (z. B. die L2-Funktion). Die nachfolgende Abbildung gibt einen Überblick der Möglichkeiten zur Festlegung einer allgemeinen geometrischen Spezifikation.
Die Festlegung einer brauchbaren allgemeinen geometrischen Spezifikation hängt primär von verschiedenen Gegebenheiten ab, wie zum Beispiel:
- Werkstoff (z. B. Metall oder Kunststoff). So ist beispielsweise bei Kunststoffen durch Schwindungseffekte die Veränderung der Entfernung von "gegenüberliegenden" Geometrieelementen davon abhängig, wie weit diese voneinander entfernt sind. Eine Möglichkeit zur Spezifikation einer variablen, entfernungsabhängigen Toleranzzonenweite findet sich in ISO 20457, jedoch wird dieser Ansatz nicht konsequent zu Ende geführt, sodass ISO 20457 als Norm für die allgemeine Tolerierung letztlich unbrauchbar ist.
- Fertigungsverfahren (z. B. unbearbeitete Metallgussteile oder spanend bearbeitete Bauteile).
- Größe und Geometrie des Bauteils.
Bei der Festlegung einer allgemeinen geometrischen Spezifikation muss u. a. auch darauf geachtet werden, dass lineare Größenmaßelemente vom Typ „Parallelebenenpaar“ (z. B. "Wanddicken") und kleinen Nennwerten des linearen Größenmaßes von der allgemeinen geometrischen Tolerierung ausgenommen und separat toleriert werden (z. B. mit einem sphärischen Größenmaß nach ISO 14405-1 oder einer individuellen geometrischen Toleranz), um zu geringe oder gar "negative" Wanddicken zu vermeiden.
Allgemeine geometrische Spezifikation vs. „klassische“ allgemeine Tolerierung (z. B. ISO 2768-1/-2)
Grundsätzlich sollte auf die Spezifikation „klassischer“ Normen zur allgemeinen Tolerierung - soweit als möglich - verzichtet werden. Insbesondere sollte aber die weit verbreitete ISO 2768-1 und ISO 2768-2 (zurückgezogen) nicht mehr angewandt werden, da:
- ISO 2768-1 teilweise im Widerspruch zum GPS-Normensystem der ISO steht und diesbezüglich mehrdeutige Nicht-Größenmaße (z. B. lineare Abstände oder Radien; siehe auch ISO 14405-2) durch die Toleranznorm erfasst werden,
- ISO 2768-1 und -2 - wie alle Normen zur allgemeinen Tolerierung, die nicht dem GPS-Normensystem der ISO angehören - nicht in Zusammenhang mit CAD-Daten (Nenngeometrie ist im CAD-Datensatz spezifiziert) verwendet werden können (Spezifikationsmehrdeutigkeit wegen Nennmaßabhängigkeit des Toleranzwertes),
- ISO 2768-2 - wie alle Normen zur allgemeinen Tolerierung, die nicht dem GPS-Normensystem der ISO angehören – lückenhaft sind, da nicht alle geometrischen Merkmale erfasst werden (z. B. Linien- und Flächenprofil)
- ISO 2768-2 mehrdeutig ist, da nicht immer eindeutig zwischen Bezugselement und toleriertem Geometrieelement unterschieden werden kann (z. B. Symmetrie).
- Eine Überschreitung der indirekt spezifizierten Toleranzen nicht unmittelbar zur Zurückweisung führen darf (Beweislastumkehr).