Von der Funktion zum Prüfprotokoll - Praxis der geometrischen Produktspezifikation und Verifikation
Funktionen richtig analysieren, eindeutig und kostenbewusst spezifizieren sowie definitionskonform verifizieren
Zum Thema
Eine optimale und kostenbewusste Tolerierungsstrategie beinhaltet nicht nur die Beschreibung der funktionellen Anforderungen und die Kenntnis der einschlägigen Tolerierungsregeln und „Werkzeuge“ des GPS-Normensystems der ISO, sondern darüber hinaus auch fundierte Kenntnisse der definitionskonformen Prüfung (Verifikation), die richtige Interpretation der Messergebnisse und die Einleitung zielgerichteter und effizienter Optimierungsmaßnahmen.
Die bislang am Markt verfügbaren Trainingsmaßnahmen haben entweder nur die Produktspezifikation (Beschreibung funktioneller Anforderungen) oder nur die meist geräte- und herstellerabhängige messtechnische Umsetzung (Verifikation) zum Schwerpunkt. Diese neu konzipierte Trainingsmaßnahme soll das Gesamtbild einer kosteneffizienten, funktionsorientierten Tolerierungsstrategie unabhängig von der Wahl des Messverfahrens, des Messgerätes sowie der Auswertesoftware aufzeigen. Erst die Synergie zwischen Spezifikation (Konstruktion) und Verifikation (Messtechnik) erlaubt es letztlich – auch komplexe Produkte – mit einem möglichst geringen Einsatz an zeitlichen und finanziellen Ressourcen optimal zu entwickeln und auf „Augenhöhe“ zu kommunizieren.
Das Seminar ist für Konstrukteure und Messtechniker gleichermaßen konzipiert und zeigt einerseits anhand konkreter Praxisbeispiele die kostengerechte Spezifikation funktioneller Anforderungen sowie andererseits die richtige messtechnische Umsetzung einschließlich, deren Grenzen, die Auswirkung verschiedener Parameter auf das Messergebnis und die richtige Interpretation von Messprotokollen.
Seminarziel
Entsprechend dem „Grundsatz der Verantwortlichkeit“ (ISO 8015) ist es die Aufgabe des Konstrukteurs den Spezifikationsoperator möglichst vollständig zu beschreiben. Die hierfür erforderlichen Kenntnisse (z. B. Wahl eines geeigneten Filters) sind jedoch häufig nicht bekannt und fehlen somit in der Technischen Produktdokumentation. Die Folge sind nicht reproduzierbare Messergebnisse und darauf basierende fehlerhafte Entscheidungen.
Andererseits müssen Messtechniker die Regeln des ISO-GPS-Normensystems (die sich mitunter von der messtechnischen Praxis signifikant unterscheiden können), kennen, um Toleranzinformationen „richtig“ (im Sinne des ISO-GPS-Regelwerks) zu interpretieren. Nur dadurch ist es möglich, ein geeignetes, definitionsnahes Prüfverfahren zu wählen und abzuschätzen, wie gut diese Prüfstrategie sowie die ggf. eingesetzte Messsoftware den Spezifikationsoperator annähern kann (Verminderung der Messunsicherheit).
Das Ziel des Seminars ist es daher Konstrukteuren relevante, für die Verifikation notwendige Informationen zu vermitteln und Messtechnikern das ISO-GPS-Regelwerk mit dem primären Ziel funktionelle Anforderungen abzubilden, näher zu bringen.
Ihr Nutzen - Sie lernen in diesem Seminar:
- Das Seminar wird Ihnen an konkreten Praxisbeispielen die funktionsgerechte Tolerierung bei gleichzeitiger Vereinfachung Ihrer Spezifikationen und Verminderung der Prüfmerkmale aufzeigen.
- Konkrete Praxistipps für Konstruktion und Messtechnik erlauben Ihnen eine unmittelbare Umsetzung nach dem Seminar.
Seminarinhalte
Themenbereich 1: Das GPS-Normensystem der ISO (ISO GPS)
- Das GPS-Normensystem der ISO – Überblick (ISO 14638:2015), aktueller Stand und Weiterentwicklungen
- Spezifikation und Verifikation, Operatorkonzept, Verantwortlichkeit von Konstruktion und Messtechnik
- Elementare Tolerierungsregeln (ISO 8015) und ihre Konseqenzen auf die Spezifikation und Verifikation
Themenbereich 2: Systematik der geometrischen Produktspezifikation
Anhand von zwei typischen Bauteilen werden die funktionellen Anforderungen analysiert und Möglichkeiten einer vollständigen Produktspezifikation aufgezeigt
Themenbereich 3: Dimensionelle Toleranzen (Maßtoleranzen)
- Eindeutige Größenmaße und mehrdeutige Nicht-Größenmaße (ISO 14405-1, -2, -3)
- Modifikatoren zur Änderung des Maßmerkmals (z. B. Hüllbedingung), Anwendungsfälsse, Möglichkeiten der messtechnischen Umsetzung und Konsequenzen
Themenbereich 4: Bezüge und Bezugssysteme
- Fundamentale Regeln der Bezugsbildung nach ISO 5459, Lücken und Weiterentwicklung der Norm
- Die elementare Bedeutung der Bezugsbildung auf die Kausalität zwischen Messergebnis und Funktion
- Einzelbezüge, gemeinsame Bezüge und Bezugssysteme verstehen, richtig spezifizieren und verifizieren
- Assoziationsverfahren für Bezüge und Einfluss auf das Messergebnis
- RPS- oder 3-2-1-Bezugssystem, Grenzen des Systems
Themenbereich 5: Referenzgeometrieelemente
- Weshalb sind Referenzgeometrieelemente erforderlich?
- Standardmäßige Assoziation von Referenzgeometrieelementen (ISO 1101:2017)
- Einfluss der Wahl des Referenzgeometrieelements auf das Messergebnis, richtige Auswahl, Konsequenzen
- Normkonforme Spezifikation
Themenbereich 6: Virtuelle Bedingungen (ISO 2692)
Richtige Spezifikation und messtechnische Umsetzung virtueller Bedingungen am Beispiel der Maximum-Material-Bedingung (MMR)
Themenbereich 7: Filterung im GPS-Normensystem der ISO
- Weshalb sind Filter erforderlich?
- Übersicht der wichtigsten Filter (ISO 16610-Reihe)
- Auswirkung der Wahl von Filterart und Nesting-Index auf das Messergebnis (Cut-off, Wellenzahl/Umdrehung, usw.)
- Welche Möglichkeiten der Filterung bietet eine moderne Messsoftware?
- Regeln und Tipps zur richtigen Auswahl von Profilfilter
- Filter in Technischen Produktdokumentationen normkonform (ISO GPS) spezifizieren
Themenbereich 8: Allgemeine dimensionelle und geometrische Spezifikationen
- Vereinfachung von Produktspezifikationen durch allgemeine geometrische Spezifikationen (ISO 22081:2021)
- Anpassung allgemeiner Spezifikationen an Fertigungsart und Werkstoff (z. B. Kunststoffe)
- Strategiern zur Verminderung der Prüfmerkmale und der Prüfkosten
- GPS-konforme Ausrichtungsstrategien und Einfluss auf das Messergebnis
- Konformitätsnachweis ("Soll-Ist-Vergleich"): Extraktion von Messpunkten und Abgleich mit CAD-Daten
- Richtige Interpretation der Messergebnissen und Einleitung sinnvoller Korrekturmaßnahmen
- Bezugssysteme für die allgemeine Profiltolerierung richtig festlegen (z. B. Kunststoff-Formteile, Rohgussteile)
Themenbereich 9: Messunsicherheit, „Angsttoleranzen“ und Kosten
- Elementare Regeln (ISO 14253-1) zum Nachweis der Konformität oder Nicht-Konformität mit Spezifikationen
- Auswirkung von „Angsttoleranzen“ auf den Fertigungs- und Prüfprozess sowie die zugeordneten Kosten
Themenbereich 10: Mess- und Prüfmittel – Anwendung und Grenzen
- Koordinatenmesstechnik (einschließlich Software)
- Optische Systeme (einschließlich Software)
- Lehren
- Anwendungsgrenzen der modernen Messtechnik
Themenbereich 11: Teilnehmerfragen, Abschlussdiskussion, wichtige GPS-Normen und Literatur
- Klärung offener Fragen und Verständnisfragen aus dem Teilnehmerkreis sowie Diskussion spezifischer Fragestellungen in der Weiterbildungseinrichtung
- Diskussion ausgewählter Produktdokumentationen («Zeichnungen»)
- Hilfreiche und weniger hilfreiche Literatur zur dimensionellen und geometrischen Tolerierung
- Tipps für die Weiterarbeit nach dem Seminar
- Zusammenfassung der wichtigsten GPS-Normen der ISO für die dimensionelle und geometrische Tolerierung