Kunststoff-Formteile fehlerfrei entwickeln und tolerieren

Entwicklungs- und Fertigungskosten sowie Entwicklungszeiten reduzieren durch werkstoff- und spritzgießgerechtes Konstruieren von Kunststoff-Formteilen, einschließlich richtiger Anwendung von ISO 20457:2018

Zum Thema

Sie kennen sicherlich das Problem bei der Entwicklung von Kunststoff-Formteilen: Konstruktionsgrundsätze und Toleranzwerte aus dem Metall- werden in den Kunststoffbereich übertragen und somit technologisch und wirtschaftlich kaum herstellbare Formteile spezifiziert.

Spritzgegossene Kunststoff-Formteile unterscheiden sich dabei im Hinblick auf ihre Maßhaltigkeit erheblich von Bautei­len, die aus metalli­schen Werkstoffen gefertigt werden. Die Einflussfaktoren auf die Maß- und Gestaltabweichun­gen sind bei Kunststoffprodukten deutlich vielfältiger. So beeinflussen neben der Formteilgeometrie, ins­beson­dere auch der verwen­dete Werk­stoff, die Prozessparameter sowie die Werkzeugtechnologie und Werkzeugkon­struktion die Maßhaltigkeit der Formteile in entscheidender Weise.

Die Erfahrung zeigt, dass bei der Entwicklung von Kunststoff-Form­teilen mitunter elementare Konstrukti­onsre­geln, werkstofftypische Besonderhei­ten, wie zum Beispiel Maßänderungen oder Formabwei­chungen durch Schwinden, Wasseraufnahme (Quel­len) oder Temperatureinflüsse, Einflüsse der Verarbeitungs- und Fertigungs­bedingungen sowie die Werkzeugkonzeption auf die Maßhaltigkeit der Bauteile unterschätzt wer­den. Ein weiteres bekanntes Problem sind Toleranzfestlegungen (Genauigkei­ten), die wirtschaftlich oder technisch nicht reali­sierbar sind ("Angsttoleranzen") und sowohl im Werkzeugbau als auch bei der Bauteilfertigung zu über­höh­ten Kosten führen ohne jedoch die Quali­tät des Produkts nennenswert zu verbessern. 

Viele Konstrukteure sind bisweilen mit der optimalen Gestaltung von Kunststoff-Formteilen "überfordert". Daher werden zumeist Erfahrungen, Tolerie­rungsstra­tegien und Toleranzwerte vom Metall- in den Kunststoffbe­reich übertragen und feststehende Konstruktions- bzw. Gestaltungsregeln angewandt. Dies führt letztlich zu einer vermeidbaren Erhöhung der Herstellungskosten ohne nennenswerte Verbesserung der Produktqualität.

Seminarziel

Ein wesentliches Ziel des Seminars ist das Aufzeigen der mitunter komplexen Zusammenhänge zwischen Formteilgestaltung, werkstoffphysikalischen Eigenschaften von Kunststoffen sowie Spritzgießprozess und Werkzeugtechnologie auf die Maßhaltigkeit von Spritzgussteilen, damit die funktionsbedingt erforderlichen Toleranzen bei kleinen als auch bei großen Stückzahlen wirtschaftlich eingehalten werden können.

Eine optimale Formteilentwicklung kann letztlich nur im Dialog mit Polymerhersteller, Werkzeugbau und Teilelie­ferant erfolgen. Daher ist es insbesondere für die Konstruktion und Entwicklung unverzichtbar, die grundlegenden Ein­flüsse von Formteilgestalt, Werkstoffeinfluss, Prozessparameter sowie Werkzeugkon­zeption und -konstruktion auf die Maßhaltigkeit zu kennen und zu verstehen, um "auf Augenhöhe" mit den anderen Bereichen kommunizieren zu können. Nur durch ein ganzheitliches Verständnis dieser Zusammenhänge ist es möglich, dass die funktionsbedingt erforderlichen Toleranzen nicht nur bei kleinen, sondern auch bei großen Stückzahlen prozesssicher und wirtschaftlich eingehalten werden können.

Ein weiterer Schwerpunkt des Seminars soll Ihnen die Anwendung aber auch die Grenzen von ISO 20457:2018 (Nachfolgenorm von DIN 16742:2013) aufzeigen.

Mit diesem Seminar wollen wir Ihnen weder die "Lehrbuchtheorie" noch feststehende Konstruktionsregeln vermitteln, sondern die wesentlichsten, die Toleranz beeinflussenden Zusammenhänge bei Spritzgussteilen aufzeigen. Die im Seminar vermittelten Inhalte können unmittelbar in die Praxis umgesetzt werden, da wir sie an teilweise selbst entwickelten, gefertigten und geprüften Spritzgussteilen veranschaulichen. Nach dem Besuch des Seminars werden Sie in der Lage sein, sowohl das Design, als auch die Toleranzen und deren Spezifikation einer kritischen Betrachtung zu unterziehen und ggf. zu optimieren. "echte" Praxisbeispiele runden das Seminar ab.

Nutzen - Sie lernen in diesem Seminar:

  • dass eine optimale Formteilentwicklung nur im Dialog mit Polymerhersteller, Werkzeugbau und Teilelieferant möglich ist. Nach dem Besuch des Seminars werden Sie mit diesen Bereichen optimal kommunizieren können,
  • die fundamentalen Zusammenhänge zwischen Werkstoffart, Verarbeitungs- und Fertigungsbedingungen sowie Werkzeugkonzeption auf die Maß- und Formabweichungen spritzgegossener Kunststoff-Formteile kennen,
  • Toleranzen für Kunststoff-Formteile funktionsgerecht, kostenbewusst sowie technologisch darstellbar zu wählen,
  • ISO 20457 detailliert zu verstehen und richtig anzuwenden sowie deren Anwendungsgrenzen und weiterführende Ansätze kennen,
  • die signifikanten Unterschiede zwischen ISO 20457 und  DIN 16901 (zurückgezogen) sowie DIN 16742 (zurückgezogen).

Seminarinhalte

Themenbereich 1: Polymere verstehen
  • Werkstoffkundliche Grundlagen
  • Typische Eigenschaften wichtiger Kunststoffsorten
  • Kunststoffsorten, Art und Menge von Füll- und Verstärkungsstoffen, Einfärbung
Themenbereich 2: Spritzgießprozess verstehen
  • Grundlagenwissen zum Spritzgießprozess
  • Spritzgusstechnologie und Sonderverfahren
Themenbereich 3: Werkzeugtechnologie verstehen
  • Grundlagenwissen zu Spritzgießwerkzeugen
  • Einfluss von Werkzeugkonzeption und Werkzeugkonstruktion auf Maß- und Formabweichungen
Themenbereich 4: Einfluss der Prozessparameter auf Teilequalität sowie Maß- und Formabweichungen
  • Einspritzdruck, Nachdruck und Temperaturen
  • Feuchtigkeitseinflüsse von Kunststoffgranulat
Themenbereich 5: Merkmalsbezogene Spritzteilgestaltung
  • Übersicht typischer Verarbeitungsfehler sowie die Ursachen und Auswirkungen kennen
  • Fehler richtig interpretieren und konstruktiv sinnvolle Abhilfemaßnahmen ergreifen
  • Werkstoffabhängige Einflussfaktoren auf Maß- und Formabweichungen von Kunststoff-Spritzgussteilen
Themenbereich 6: Werkstoff-, fertigungs- und belastungsgerechte Spritzteilgestaltung
  • Die wesentlichen Regeln zur spritzgießgerechten Bauteilgestaltung
  • Anforderungsgerechte Werkstoffauswahl
Themenbereich 7: Fehler und Schwachstellen der Spitzteilgestaltung
  • Übersicht typischer Verarbeitungsfehler sowie die Ursachen und Auswirkungen kennen
  • Fehler richtig interpretieren und konstruktiv sinnvolle Abhilfemaßnahmen ergreifen
  • Werkstoffabhängige Einflussfaktoren auf Maß- und Formabweichungen von Kunststoff-Spritzgussteilen
Themenbereich 8: Allgemeintoleranzen für Kunststoff-Formteile nach ISO 20457:2018
  • Aufbau, Anwendung und Inhalte der Norm
  • Anwendungsbeispiele
  • Auswirkungen von ISO 20457:2018 in der Praxis
  • Anwendungsgrenzen und weiterführende Ansätze
Themenbereich 9: Kunststoff-Formteile funktions- und kostenbewusst tolerieren
  • Zeichnungsangaben für Formteile nach ISO 10135:2009
  • Tolerierungsregeln für nicht formstabile Teile (ISO 10579)
  • Prüfbedingungen für Kunststoffe nach ISO 291 festlegen
Themenbereich 10: Anwendungsbeispiele aus der Praxis
  • Sicherstellung der Maßhaltigkeit von Kunststoff-Formteilen durch Designoptimierung
  • Orientierungshilfen für ein spritzgerechtes Design
  • Praxistipps und Praxisanwendungen
Themenbereich 11: Teilnehmerfragen und Abschlussdiskussion
  • Teilnehmer und Referent diskutieren über eigene Erfahrungen bei der Entwicklung von Kunststoff-Formteilen. Sie haben die Gelegenheit, eigene Werkstücke mitzubringen und - so gut es die Zeit erlaubt - mit dem Referenten offene Fragen rund um das Thema Maßhaltigkeit und Toleranzen zu klären. Lösungsmöglichkeiten und ggf. eine Designoptimierung werden aufgezeigt und gemeinsam in der Gruppe diskutiert
  • Tipps für die Weiterarbeit nach dem Seminar
  • Hilfreiche Literatur 

Seminarinformationen

Seminarinformationen
Seminardauer:  2 Tage
Seminartyp:Inhouse
Code:KFT-DEV Inhouse
Abschluss:Zertifikat
Bonus:Zugang zum Kundenbereich

Dieses Seminar bieten wir selbstverständlich auch regelmäßig als offenes Seminar in Präsenz unserem Seminarzentrum in Stuttgart an:
Zum offenen Seminar

Haben Sie Fragen zum Seminar oder wünschen Sie eine Beratung oder ein unverbindliches Angebot für ein Inhouse-Seminar? Dann nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.